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Lockere Lockerung

Ich habe mich bisher zu Corona zurückgehalten. Ich bin kein Virologe. Ich bin auch kein Gesundheitsminister. Ich hatte auch schlicht nicht die Zeit, mir jede Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts anzuschauen. Eigentlich kann ich auch zum Virus-Geschehen auch keinen nennenswerten Mehrwert bieten. Schaue ich mir aber die Debatten und Maßnahmen zur Lockerung der letzten Tage an, so ahne ich schlimmes. Es gibt wohl einen Zusammenhang zwischen dem Fetisch für Lockerung und der Schraube, die da locker sitzt.

Straffreie Abtreibung in Neuseeland bis zu 20 Wochen

Das kleine Land mit den 4 Mio Einwohnern am anderen Ende der Welt, was öfters mal von der Weltkarte rutscht, hat im März Abtreibungen bis zur 20. Woche gänzlich erlaubt. Hierzulande tauchte die Meldung kaum in den Medien auf.

Berührungspunkte mit dem Thema hatten wir während der Weltkreise. Als wir in Wellington Verspätung bei der Fähre hatten, liefen wir noch zum Regierungsgebäude. Vor diesem war gerade eine große Demonstration der Abtreibungsgegner. Kurz zuvor hatte eine Rechtskommission drei Optionen für eine neue rechtliche Regelung abgegeben, worauf hin es eben zu Demonstrationen rückschrittlich gesinnter Menschen gab. Zudem gab es auch Gegendemonstranten am Rande der Demo. Ich kam mit zwei Leuten ins Gespräch.

Während also in Deutschland Abtreibung nach wie vor eine Straftat ist, die unter bestimmten Bedingungen (Vorberatung, bis zu 12. Woche, etc.) straflos bleibt – und unsere Regierungskoalition selbst das straffreie Hinweisen auf ärztliche Tätigkeiten nicht gebacken bekommt, hat Neuseeland da einen bemerkenswerte Wendung hingelegt:

Um eine Schwangerschaft abbrechen zu können, mussten also Schlupflöcher gesucht werden. So mussten beispielsweise Krankheiten zum Schutz vor Strafverfolgung vorgetäuscht und von zwei Ärzt*innen bestätigt werden, so dass Abtreibungen herausgezögert und somit gefährlicher wurden. Nun sind legale, sichere Schwangerschaftsabbrüche ohne Nachweise über zum Beispiel den Gesundheitsstatus bis zur 20. Schwangerschaftswoche möglich.

(Quelle: Humanistischer Pressedienst)

Wahrscheinlich hätte ich von der Wendung wohl auch nichts mitbekommen, wenn ich nicht vor eineinhalb Jahren diese Demonstration gesehen hätte und vor einigen Wochen die Bilder der Reise gesichtet hätte.

Umgang mit Fehlern

Zugegeben: Auch ich schaue gerne Realsatire an. Und Behördenpossen gehören da auch dazu. Aber nicht jede Panne eignet sich dazu, diese als „Irrsinn der Woche” zu betiteln. So entdeckte ich erst kürzlich die Sendung von extra3 vom Oktober 2018. Die neuen Straßenbahnen der Düsseldorfer Rheinbahn waren zu breit für die Duisburger Haltestellen:

Im Grunde ist nach 33 Sekunden mit vier Worten alles gesagt, was es zu sagen gibt:

Wir haben falsch bestellt!

Nein, es wird nicht der Finger zuerst auf andere gezeigt, die einen Fehler gemacht haben könnten. Der Betreiber räumt den Fehler in den eigenen Reihen ein. Wozu noch weitere Häme?

Richtig absurd wurde es dann bei 1:29:

Zumal die 43 neu bestellten Bahnen 120 Mio Euro kosten.

Genau deshalb werden ja zunächst nur einzelne Testfahrzeuge bestellt und dem Praxistext unterzogen. Ja, der schlug nun fehl. Nun gab es also konkrete Beschädigungen an einer einzelnen Bahn, Umplanungsaufwand und möglicherweise noch ein paar nicht für Duisburg einsetzbare Züge. Das Groh der Bestellung sollte – es sind gut eineinhalb Jahre vergangen – dafür passen.

Ich wünschte mir, Unternehmenskommunikation würde immer so ablaufen! Wenn aber gerade solche klaren Worte nur noch mit Häme ausgeschlachtet wird, kann ich mir manch zurückhaltene Kommunikation durchaus vorstellen. Und nicht selten gibt es überhaupt keine Kommunikation.

Hamburgs Zentrum autofrei?

Zwei Wochen vor der Bürgerschaftswahl werfen die Grünen der SPD vor, ihre Pläne zur „autoarmen“ Innenstadt abgeschrieben zu haben, während am 21.01. Katharina Fegebank solche Forderungen selbst für „irre“ bezeichnete.

Ich hätte gerne das Gebiet innerhalb des Ringes 1 „autofrei“ – und frage nich, ob SPD und Grüne überhaupt wissen, wer derzeit in der Regierung sitzt. Nach fünf Jahren SPD-Alleinregierung und fünf Jahren Rot-Grün gab es bisher nur den temporären Versuch im Sommer 2019 für acht kleine Straßen wie Dornbusch und Trostbrücke. Dass dies mit der SPD nicht kommen wird, zeigte Peter Tschentscher bereits in einem Interview im Juli 2019. Er werde „über autofreie Zonen nachdenken, sobald die Alternativen zum Auto ausreichend zur Verfügung stehen“.

Gute Ideen sind nicht nur zum Kopieren da, sondern auch zum Umsetzen!

Wollten SPD und Grüne ernsthaft die Autos aus der Innenstadt verbannen, dann hätten sie uns im Wahlkampf mit einem entsprechenden autofreiem Gebiet rund um den Jungfernstieg überrascht! Wenn die vielfältigen Alternativen wie Fuß, Fahrrad, Rikscha, Bus, U-Bahn und zukünftig Straßenbahn immer noch nicht als ausreichend angesehen werden, dann wird dieses Thema am 23.02. mit dem Schließen der Wahlurnen für knapp fünf Jahre beerdigt werden!

Und das ist schade!

(Zu meiner Pressemeldung der Piraten Hamburg)

Ist die Digitalstrategie der Speicher wert, auf dem es abgelegt wurde?

Vorbemerkung: Der Artikel entstand im Rahmen des Bürgerschaftswahlkampf 2020.

Pünktlich in der heißen Phase des Wahlkampfes beschließt der Hamburger Senat die sogenannte Digitalstrategie dieser Stadt. In dem Dokument stellt sich einerseits Hamburg selbst ein gutes Zeugnis aus, andererseits werden Wahlkampfziele der SPD schon verarbeitet, wie bspw. die Tschentscher’sche Gedenkbibliothek in Form des „Hauses der digitalen Welt“. Mit diesem Beitrag möchte ich dieser Strategie auf den Zahn fühlen.

Fangen wir zunächst mit der B-Note an: die Strategie selbst ist eine PDF-Datei mit 60 Seiten und wirkt wie mit der heißen Nadel gestrickt. Es gibt keine internen Lesezeichen und Verlinkungen. Teilweise ist der Text auf Bildern sehr schwer lesbar. Im Kapitel „Barrierefreiheit“ wird von Leichter Sprache gesprochen, doch dieses Dokument ist das komplette Gegenteil davon. Möglicherweise ist es aber auch das Ziel, dass möglichst wenige Menschen diese Dokument lesen und verstehen. Ich habe es trotzdem gemacht.

Digitalisierung selbst ist ein politisches Modewort geworden. Man kann darunter Alles oder Nichts verstehen. Allein die Tatsache, dass in den Behörden keine mechanischen Schreibmaschinen mehr genutzt werden, betiteln einige bereits als Digitalisierung. In dieser Digitalstrategie steht unter anderem die Maßnahme „Online Terminvergabe“ für’s Hamburger Impfzentrum. Im Jahr 2020 ist schon mancher Hausarzt weiter. Andere Projekte wie das „Monitoring der Bodenversiegelung“ bringen dagegen Mehrwerte, auch für die politischen Debatten.

Die Digitalstrategie nennt (bis auf wenige Ausnahmen) keinerlei Zeitvorgaben. Wir lesen also verschiedene Maßnahmen in den verschiedenen Fachbereichen ohne dabei zu erfahren, wann wir eine bestimmte digitale Leistung erwarten und nutzen dürfen. Dann kann niemand in zehn Jahren sich beschweren, wenn immer noch zu wenig umgesetzt wurde.

Die Digitalstrategie nennt auch keinerlei Kosten. Den Finanzen wird zwar ein eigenes Kapitel gegönnt, doch lest selbst:

Um ihre positive Fortentwicklung im Sinne der digitalisierungsbezogenen Herausforderungen und Möglichkeiten zu gewährleisten, sind die aktuellen Haushaltsansätze im Rahmen der vorhandenen dezentralen und zentralen Mittel sowie nach Maßgabe der zukünftigen Haushaltsaufstellungsverfahren weiterzuentwickeln.

Die Prozesse für die Digitalisierung benötigen auch personelle Expertise. Bekanntlich fällt diese auch nicht vom Himmel. Daher gibt es beim „Amt für IT Digitalisierung“ einen „sog. Projektpool“. Vermutlich sind das diese kleinen schwarzen Löcher, die alle Probleme lösen?

Es ist kein Geheimnis, dass Hamburg in den vergangenen Jahren sich blaue Augen bei IT-Projekten geholt hat. Das wohl bekannteste ist KoPers. Hamburg führte eine neue Personalverwaltungssoftware Mitte 2018 ein – und über Monate hinweg wurden Gehälter entweder nicht oder nicht korrekt ausbezahlt. Und auch nach über einen Jahr funktioniert die Abrechnung bei Stellenwechsel immer noch nicht zuverlässig. Was passiert ist, lässt sich im Nachgang nicht ungeschehen machen. Aber wir dürfen sehr wohl erwarten, dass sich solche Szenarien nicht wiederholen. Doch in der Digitalstrategie lesen wir auch davon nichts. Lernen durch Schmerzen nur ohne Lernen?

Für die Piratenpartei ist Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre wichtig. Doch die Digitalstrategie sieht Datenschutz leider nicht als Chance und Stärke, sondern reduziert es eher auf eine Notwendigkeit. Wir sind beruhigt, dass Hamburg sich nicht über EU-Recht (DSGVO) hinwegsetzen möchte, dennoch gibt es bei vielen Digitalisierungsprojekten Spielräume. Im Bereich Gesundheit und Soziales sollen Schnittstellen zwischen PROSOZ (Sozialverwaltung) und JUS-IT (Jugendhilfe) mit der eAkte geschaffen werden. Leider ist dieser Aspekt zu schwammig beschrieben. Für uns als Piraten ist es ein NoGo, wenn an einer zentralen Stelle solche sensiblen Daten zusammengefasst werden. Und es gibt auch gute Gründe, warum bestimmte Daten stets getrennt bleiben sollen.

Die Stadt Hamburg verfügt derzeit über rund 800 verschiedene IT-Fachverfahren. In der Digitalstrategie hofft man, dass neue Softwarestandards und Innovationen Potenziale für eine bessere Effizienz sowie Prozessoptiomierung bergen. Wird ein schlechter Prozess digitalisiert, so bleibt er eins: ein schlechter Prozess. Wir sollten Digitalisierung auch als Chance verstehen, Dinge neu zu durchdenken. Beim Thema Führerschein-Erneuerung sind diese Überlegungen richtig: da der Austausch nur formaler Natur ist, könnte die Neubeantragung über ein Online-Formular wesentlich einfacher von statten gehen. Doch leider gibt es nur wenige solcher Bereiche. Ein denkbares Beispiel: Mit der Geburt eines Kindes beginnt heute auch ein bürokratischer Akt: die Geburtsurkunde muss mehrfach ausgestellt werden, das Kind bekommt eine Steuernummer, für das Kind gibt es einen Kindergeldanspruch und in gewisser Hinsicht besteht auch künftig ein Anspruch auf einen Kita-Platz. Warum nicht all diese Dinge so gestalten, dass beim Verlassen des Kreißsaals schon alles geklärt ist?

Die Digitalstrategie betrifft auch die Schulen und die Unterrichtsgestaltung:

Außerdem werden in den Grundschulen mobile Endgeräte im Verhältnis Endgerät zu Schüler von 1:4 und in weiterführenden Schulen im Verhältnis von 1:5 angeschafft, die in allen Schulen eigene mobile Endgeräte der Schülerinnen und Schülern im „Bring Your Own Device“ (BYOD) im Unterricht ergänzen

Den Ansatz der Schülereigenen Geräte bietet zwar den Vorteil der Wahlfreiheit der Geräte und Plattformen, erfordert aber Pflege- und Wartungsaufwand seitens der Schülerinnen und Schüler bzw. deren Eltern. Und wenn diese dies nicht leisten können, verlagert es die Probleme in die Schule. Nur die Lehrenden haben nicht die Aufgabe und die Pflicht, Administrator zu spielen. Und auf diese Punkte geht dann das Konzept wiederum nicht ein.

Im Kapitel „Mobilität & Energie“ der Digitalstrategie spiegeln sich auch die Präferenzen der derzeitigen Hamburger Verkehrspolitik wieder. Mittels Wärmekameras sollen Verkehrsdaten in Echtzeit erhoben werden. An 420 Orten. Davon 30 für den Radverkehr und keine für den öffentlichen Nahverkehr.

Erfolg hat bekanntlich viele Gesichter. Mit dem unter wesentlicher Mitwirkung der Hamburger Piraten über eine Volksinitiative entstandenen Transparenzgesetz hat sich die Freie und Hansestadt Hamburg auf dem Gebiet der Informationsfreiheit an die Spitze der Bundesländer gesetzt. Dies wird auch in der Digitalstrategie gefeiert:

Mit dem Transparenzgesetz und seiner Umsetzung in Form des Transparenzportals trägt Hamburg kontinuierlich dazu bei, dass das Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern und Staat von Vertrauen und einer gelebten Veröffentlichungskultur geprägt ist.

Schön wäre es, nur leider sieht die Praxis anders aus. Die pauschalen Ausnahmen von der Informationspflicht für Informationen, die unter spezialgesetzliche Vertraulichkeitsvorschriften oder die Verschlusssachenanweisung für die Behörden der Freien und Hansestadt Hamburg fallen, gehören gelockert. Um ein Dokument zur Verschlusssache zu erklären existieren derzeit keine ernsthaften Hürden, so dass auf diese Art und Weise den Bürgern Informationen vorenthalten werden dürfen, die nach dem Wortlaut des Transparenzgesetzes eigentlich nicht schützenswert wären. Dieses Unterlaufen der Absicht des Gesetzgebers muss gestoppt werden. Ebenso ist die absolute Bereichsausnahme für das Landesamt für Verfassungsschutz aufzuheben.

Zusammenfassend gibt diese Strategie einen Überblick über Projekte, mit denen sich die Stadt Hamburg gerade beschäftigt. Eine Strategie ist es dagegen nicht. Wir wissen nicht, wo wir in fünf Jahren stehen werden. Das wollen wir gerne konkreter machen. Des weiteren wollen wir freie WLAN-Netze voranbringen (z.B. nicht nur an den U-Bahnhöfen, sondern auch in den Verkehrsmitteln) und die Mittel und Möglichkeiten des Landesdatenschutzbeauftragten stärken. Daher stehen wir am 23.02. zur Wahl!

Servicewüste SpardaBank Berlin

Letzte Woche war ich mal wieder in Berlin. Und besuchte dort die Sparda Bank beim Bahnhof Friedrichstraße.

Normalerweise war ich immer gerne Kunde und Genosse der Berliner SpardaBank gewesen. Seit einiger Zeit nun bei der Hamburger SpardaBank. Die SpardaBanken sind zwar getrennte Banken, laufen aber in einem Verbund. Wenn man beispielsweise in den Bereichen der anderen Banken unterwegs ist, kann man trotzdem an den Terminals Überweisungen tätigen oder Kontoauszüge ziehen (Außer bei der SpardaBank München, da gibt es keine Terminals).

Ich wollte also in Berlin einen Auszug ziehen, der Automat verweigerte den Dienst. Ich erinnerte mich noch an letztes Weihnachten in Dresden. Da hing dieses Schild:

(Ich lass da erst Dezember, bis ich realisierte, dass die ihre IT-Umstellung binnen drei Monaten nicht gebacken bekamen)

Nun dachte ich: nach einem Jahr muss das doch laufen, oder?

Da zu diesem Zeitpunkt die Filiale noch geöffnet war, nutzte ich die Gelegenheit und fragte nach.

Wir haben einen neuen IT-Dienstleister. Darum geht das nicht.

Bei der Antwort wollte ich schon nach einer versteckten Kamera suchen. Als Wirtschaftsinformatiker weiß ich, dass ein Anbieterwechsel kein Hindernis sind. Als Kunde und Genosse muss mich der technische Betrieb nicht jucken. Ich will, dass es funktioniert.

Ich fragte nach, warum es dann keine Schnittstellen gibt – doch sie verstünde davon ja nix, sie sei nur eine „Bankberaterin”.

Bemerkenswert wurde der Schwarze Peter dann den anderen Sparda-Banken zugeschoben. Die hätten ja auch anpassen können (oder den Anbieter wechseln können). Nur mal Hand aufs Herz: Warum sollen die anderen 10 SpardaBanken etwas anpassen, wenn eine Bank ihren Dienstleister wechselt? Doch auch auf diese Frage gab es keine Antwort. Sie sei ja nur Bänkerin.

Ich wurde gefragt, ob mich meine Bank nicht informiert hätte. Schließlich ging damals eine Meldung an alle Banken raus. Nein, in der Tat nicht.

(Das Skurile am Beruf des Bänkers ist die umheimliche Expertise, einem zu erklären, wie sicher Online-Banking ist. Aber bei verbundsinternen Schnittstellen sind sie blank).

Auf mein „Die SpardaBank Berlin kriegt es nicht auf die Reihe” erwiderte die Bankberaterin nur, dass sie alles auf die Reihe bekommen. Es funktioniert ja alles. Also alles, was soll. Ich bin ja nur Kunde einer anderen SpardaBank. Das Dumme ist nur: solche Schnittstellen funktionieren ja in beide Richtungen. Kunden der SpardaBank Berlin können nun auch nicht in Hamburg an die Automaten gehen.

„Kann ich mich beschweren?”
„Ja, aber bei ihrer Bank. Sie sind ja kein Kunde hier.”
„Das macht nichts. Noch bin ich Genosse der Sparda Berlin”
„Ja, aber morgen wieder. Ich habe nun Feierabend!”

Wir halten noch mal fest: Die Sparda Bank Berlin fummelt an ihrer IT herum – und erwartet nun, dass alle anderen nachziehen müssen. Und weil die das nicht tun, funktionieren Schnittstellen nicht. Zum Leidwesen der Kunden. Ich erinnere mich an die Sparkasse der frühen 2000er Jahre, wo ich in Dresden keinen Kontoauszug von Pirna holen konnte und umgekehrt. Das war einer der Gründe, die einst für die Sparda-Bank sprach.

Nun haben wir mittlerweile 2019.

Siehe auch: Sparda-Bank Berlin eG, Berlin: es läuft was schief…

Anmerkung, die 1.

Als Genosse der Bank kann man sich dafür noch nicht einmal fremdschämen. Man ist ja Genosse:

Anmerkung, die 2.

Wie zu erwarten, waren die Antworten auf die Beschwerdemail ohne tiefere Substant. Sparda Berlin begründet es mit „technischen Änderungen” und verweist auf Online-Banking, Daueraufträge und Lastschrift. Zudem setzen sie Verständnis voraus – was nicht gegeben ist. Sparda Hamburg begründet es immerhin mit einem Wechsel des Rechenzentrums.

Anmerkung, die 3.

Während auf den Webseiten der SpardaBanken die Kundenzufriedenheit hochgejubelt wird, kann ich das in meiner Filterblase gerade gar nicht wiederfinden. War vielleicht mal so…

Wir jagen Funklöcher - Digitalisierungsarmut in Deutschland

Im Rahmen meines Jobs komme ich derzeit auch in die entlegensten Ortschaften dieses Landes – und bekomme da auch mit, welche Themen da gerade aktuell auf der Tagesordnung stehen. Wie zum Beispiel die Braunen die Brückenschieber von Lübbenau (mittlerweile) verhindern oder wie die CDU in Bad Harzburg die Fußgängerzone abends für Radelnde öffnen will – obwohl das schon längst gegeben ist.

Heute geht es um Einbeck. Eine kleine Ortschaft zwischen Hannover und Göttingen. Manche kennen den Ort nur des Bieres wegen. Daher betitelt sich die einstige Hansestadt selbst auch als „Bier- und Fachwerkstadt”.

Am 23.10. stand auf der Sitzung des dortigen Stadtrates die Frage auf der Tagesordnung, ob sich die Stadt bewerben soll für ein Projekt der Deutschen Telekom mit dem Titel „Wir jagen Funklöcher” (Siehe Vorlage 2019/2976):

Die Verwaltung wird beauftragt, sich für die Stadt Einbeck um die Teilnahme am Programm „Wir jagen Funklöcher“ zu bewerben.

Ja, diesen Projekttitel hat sich die Stadt nicht ausgedacht, dieses Projekt gibt es – keine Satire – wirklich. Von der Deutschen Telekom. Einem Unternehmen, welches noch immer zu 1/3 unserem Staat gehört. Und bei dem wir eigentlich annehmen müssten, dass die Beseitigung der Funklöcher im Jahr 2019 Chefsache sein müsste. Ich würde ja solche offensichtlichen Defizite lieber unter dem Radar der Öffentlichkeit aus der Welt bringen – und erst nach deren Realisierung auf die Pauke hauen. Tsak, wir habens! Aber was weiß ich schon.

Es gibt ein Casting. 50 Kommunen sollen es werden. Es bedarf eines Beschlusses der politischen Vertretung. Und dann darf sie drum betteln („Erzählen Sie uns etwas über Ihre Kommune. Was macht sie besonders?”), wir kennen das von Bewerbungsgesprächen. Daneben gibt es noch organisatorische Dinge (z.B. das zur Verfügungstellen von Dächern zu marktüblichen Preisen).

In der FAQ schreibt es auch die Deutsche Telekom sehr deutlich:

Es gibt Gebiete, die aus rein wirtschaftlichen Gründen nicht mit Mobilfunk versorgt werden können. Die Kosten für den Ausbau sind für uns dort zu hoch. Diese Gebiete haben wir mit der Aktion „Wir jagen Funklöcher“ im Visier.

In Deutschland im Jahre 2019. Ich war dieses Jahr durch Norwegen und Schweden geradelt und hatte selbst in unbewohnten Gebieten besseren Empfang als an der Eisenbahnstrecke zwischen Rostock und Hamburg, wo selbst mobiltelefonieren nicht ohne Abbrüche möglich ist.

Die Bitkom hat auf einer interaktiven Karte 1292 Funklöcher in Deutschland zusammengetragen – und teilweise mit Verfahrensdauern und Problemen. Sehr schön. Allerdings ist diese Karte keineswegs vollständig. Innerhalb des Stadtgebietes von Einbeck ist da kein Defizit verzeichnet.

Aber die Aussage der Telekom zur Wirtschaftlichkeit des Infrastrukturausbaus macht vor allem eines deutlich: Die Illusion der FDP, der Markt würde das schon richten ist und bleibt eine Illusion. Und selbst wenn die Telekom in der einen oder anderen Milchkanne großzügigerweise einen Mast aufbaut: es gibt auch andere Anbieter.

Infrastruktur ist letztendlich Daseinsvorsorge. Das muss ein gesellschaftliches Ziel sein. So lange wie wir das nicht als Land zur Chefsache erklären, so lange dürfen die kleinen Kommunen eben bei der Deutschen Telekom betteln.

HyperLoop

Gibt es eigentlich ernste Gründe, die gegen den Bau von Transrapids sprechen? Ja, Hyperloops.

Dabei sind weder Transrapide noch Hyperloops so wahnsinnig neu. Ich bin heute auf einen Artikel gestoßen, der die Geschichte dieser Röhrenzüge darstellt. Vieles kannte ich dazu noch nicht. Schon im Jahre 1870 (!) wurden in New York Menschen durch die Tunnel durchgepustet. Waren zwar nur 95 Meter und eher eine Touristenattraktion. Aber das Prinzip funktionierte damals schon: Druckluft zur Fortbewegung nutzen.

Lesetipp: Von der Rohrpost zum Hyperloop: Die irre Geschichte der Röhrenzüge

Die Pendlerpauschale und das Klimaschutzprogramm

Oder um den offiziellen Terminus zu verwenden: Entfernungspauschale.

Im Umkreis von Menschen, die sich aktiv für die Verkehrswende einsetzen, höre ich immer wieder auch Forderungen nach Abschaffung der sogenannten Pendlerpauschale. Die Argumente sind einfach, im meinen Augen aber völlig falsch. Die Pendlerpauschale würde demnach:

  • die Zersiedelung von Städten fördern (also ein Anreiz sein, damit Leute anstelle von urbanen Gebieten lieber in die Vororte ziehen und weitere Entfernungen in Kauf nehmen)
  • den PKW-Verkehr bevorzugen (also dass Leute lieber mit dem Auto fahren als mit dem Fahrrad oder den Bus)

Ich nehme die Argumente auseinander, setze mich mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinander und nehme die Maßnahmen des Klimaschutzprogramms auseinander.

Umzugsprämien

Die CDU in Thüringen möchte Menschen 5.000 Euro schenken, die ihre Hauptwohnung zusammen mit einem Arbeitsplatz zurück nach Thüringen verlegen. So beschlossen in ihrem Regierungsprogramm (siehe auch Ostthüringer Zeitung):

Thüringer Rückkehrprämie: Um dem demographischen Wandel entgegenzuwirken, wollen wir Thüringern, die aus ihrem Heimatland weggezogen sind, eine Prämie zahlen, wenn sie zurückkehren. Diese Rückkehrprämie von 5000 Euro sollen alle erhalten, die ihren Hauptwohnsitz wieder nach Thüringen verlagern und hier eine Arbeit aufnehmen. Für Lebenspartner und Kinder wird der Betrag entsprechend aufgestockt, auch wenn sie zuvor nicht in Thüringen gelebt haben.

Ich erinnere mich, dass ich im Jahre 2007 3.000 Euro bekommen habe – und zwar dafür, dass ich eine Arbeit aufgenommen habe, die mehr als 100 Kilometer von meinem bisherigen Wohnort entfernt liegt. Auf politischer Ebene stufe ich beides als Steuerverschwendung ein. Auf der privaten Ebene habe ich natürlich nicht Nein gesagt.

Zugegeben, ich kenne keinen Menschen, der damals eine ähnliche Prämie bekommen hat. Es gab 2007 irgendein Arbeitsmarkt-Förderprogramm, wo die örtlichen Arbeitsämter sich irgendetwas ausdenken konnten. Und im damals für mich zuständigen Arbeitsamt Pirna gab es dann eben diese sogenannte Mobilitätsprämie.

Im Endspurt meines Studiums wollte ich mich ausschließlich auf meine Diplomverteidigung konzentrieren – und habe damit in Kauf genommen, dass ich damit eine kleine Überbrückungszeit arbeitslos sein werde. Also meldete ich mich arbeitslos – und die Behörde ging mir damals schon auf den Senkel. Das machte aber nichts, ich ging auch der Behörde auf den Senkel. Das lustigste war, dass ich nach langer Diskussion ein Blanko-Formular für Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen bekam. Die Behörde konnte sich zuvor nicht vorstellen, dass man so etwas auf den Folgetag legen kann (und die Formulare immer per Post ankam).

Pro-Tipp: Lege Vorstellungstermine immer auf Termine, wo dich das Arbeitsamt sehen will. Vorstellungstermine haben Vorrang!

Nachdem ich einen Arbeitsvertrag mit einer Berliner Firma unterzeichnete, bekam ich neben Formulare für die Übernahme der Reisekosten zum Jobantritt, Umzugskostenhilfe und eine Trennungshilfe (die in meinem Falle keinen Sinn machte) auch ein Formular mit dieser Mobilitätsprämie. Und ehrlich, da gab es ein Formular, in dem man einen Geldbetrag eintragen konnte, der eine beliebige Zahl zwischen 0 und 3000 sein konnte.

Es ereignete sich dann folgender Dialog beim Arbeitsamt:

Ich: Ich wäre also schön blöd, wenn ich eine geringere Zahl eintragen würde.

Arbeitsamt-Personal: Ja.

Damals war man froh über jeden Langzeitarbeitslosen, den man aus der Statistik streichen konnte. Damit passte ich sehr gut ins Raster: der Tag der Antragstellung dieser Mobilitätsprämie war am 20. Tag (!!!!) meiner Arbeitslosigkeit.

Nun will also die CDU für den Wohnortswechsel Geld verteilen. Nur die Richtung ist umgekehrt. Anstelle von „Raus aus der Statistik” gilt nun „Wir freuen uns auf deine Schlüsselzuweisung”. Die Idee wirkt noch etwas unausgegoren, denn wie soll im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz ein Thüringer von einem Nichtthüringer gesetzlich unterschieden werden? Das geht zugegebenermaßen bei den Bratwürsten etwas einfacher.

Aber ehrlich: Wen wird dieser einmalige Geldbetrag motivieren, nach Thüringen zu ziehen? Es werden sich aber Leute freuen, die es ohnehin vor hatten. So wie ich damals. 2007.

(Siehe auch Blog von Heidrun)